Montag, 28. April 2014

ich und wir


"Niemand ist berechtigt, sich mir gegenüber so zu benehmen, als kennte er mich." 
Robert Walser

Letzthin habe ich eine durch ihre eigene Dünnhäutigkeit irritierte Kollegin darauf hingewiesen, dass sie als frischgebackene Mutter und stillende Frau ja auch noch nicht wieder ganz "sie selbst" sei: Die Antennen voll ausgefahren und hochempathisch für das kleine Bündel Mensch, könne man diese für die Brutpflege wichtigen Qualitäten halt leider nicht per Knopfdruck im Kontakt mit anderen Menschen ausschalten.

Und ich selbst? Seit rund drei Jahren bin ich entweder schwanger, stillend oder gleich beides zusammen. Und es ist kein Ende in Sicht. 

Bin ich eigentlich noch ich? Bin ich zurzeit eine unvollständige Ausgabe meiner selbst? Oder vielleicht eine bessere Version von mir? 

(Der Wicht auf dem Bild ist natürlich der Frischling, damals noch fast ganz glatzköpfig... Es dauert noch ein Weilchen, aber der Geburtstermin vom kleinen Kind rückt unaufhaltsam näher.) 

Dienstag, 15. April 2014

Spuren



Drei Menschen.
Drei Entwicklungsstufen.
Drei Themen.

Und ganz viel Freude.

Montag, 14. April 2014

Stolperstein: Geburtsvorbereitung II


Wie immer bei meinen in ganz loser Folge hingeschriebenen Stolpersteinen möchte ich betonen, dass ich andere persönliche Erlebnisse, Meinungen oder Standpunkte nicht abwerten oder kritisieren möchte. Erfahrungen sind unterschiedlich und führen zu unterschiedlichen Haltungen. Und meine eigene entspricht jeweils nur einem momentan aktuellen Gefühl oder einem Gedanken und ist selbst von Veränderungen nicht ausgeschlossen. Dogmen, Polemik, Fundamentalismus etc. liegen mir fern.

Mein letzter Stolperstein beschäftigte sich mit Geburtsvorbereitungen, wie sie mich vor der Geburt des Frischlings umtrieben. Sie betrafen vor allem meine Funktion als Frau und Mutter. Nicht nur der Frischling wurde geboren, auch ich als Mutter durfte und musste mich an diese neue Lebensaufgabe herantasten. Dieses grosse Neusortieren bleibt jetzt aus. Ich bin ja jetzt bereits Mutter.

Dieses Mal ist es das kleine Kind, welches im Zentrum meiner Gedanken zur Geburtsvorbereitung steht. Wie kann ich ihm helfen, geborgen und geschützt den Übergang in diese unsere Welt zu schaffen? Wie kann ich ihm unnötigen Schrecken ersparen? Wie schütze ich es vor der Gedankenlosigkeit unsinniger, aber routinierter Abläufe rund um Geburt und Wochenbett? Und was gehört überhaupt alles zur Geburt? Wenn von Geburt gesprochen wird, denken viele an die Stunden im Gebärzimmer. Aber ist das Ankommen in dieser Welt nicht ein viel längerer Prozess? Und wo heisst es deshalb auch in den Stunden, Tagen und Wochen nach dem "offiziellen" Geburtsmoment, entsprechend achtsam zu sein?


Wiederum dank einiger Bücher taste ich mich vor in die "Planung" von Geburt und Wochenbett. Dies ist fraglos eine Zeit, welcher ein grosser Zauber innewohnt.

Fréderick Leboyer beschreibt in seinem Buch "Geburt ohne Gewalt" (erstmals erschienen 1974) eindrücklich, wie unaufmerksam, ja brutal mit Neugeborenen umgegangen wird/wurde. Ich hoffe doch sehr, dass das Buch ziemlich überholt ist. Trotzdem leistet es (für mich jedenfalls) den immer noch wichtigen Aufruf, das Neugeborene als in seinem Fühlen und mit seinen Sinnen kompetentes, "fertiges" Wesen zu behandeln. Die oben formulierten Fragen resultieren aus diesem Ansatz.

Ein weiteres seiner Bücher, "Das Fest der Geburt", ist ganz anders gestaltet. Es entführt mit poetischen, bisweilen auch sehr amüsanten und einen dann und wann tief berührenden Texten in das Mysterium der Geburt. Leitfaden für die Texte sind Werke aus der bildenden Kunst, vorwiegend Mariendarstellungen (Verkündigung, Anbetung des Kindes, Maria mit Kind,...) aber auch grossartige Werke von Hokusai und anderen japanischen Künstlern, welche Meister waren in der Darstellung der Kraft des Wassers (ein Bild, welches Leboyer oft verwendet, um den Geburtsprozess zu verbildlichen). Ein wunderbares, inspirierendes, bildgewaltiges Buch, welches neue Bezüge schafft und in meinem Falle zwei meiner momentanen Lebenslinien miteinander verknüpft.

Nicht unerwähnt bleiben soll hier "Die Hebammensprechstunde" von Ingeborg Stadelmann, gehört das Buch doch zu den grossen Standardwerken rund um Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. Tatsächlich habe ich es aber erst jetzt gelesen. Vieles ist mir nicht neu, wurde und werde ich doch ebenfalls von einer phantastischen Hebamme begleitet. Zudem finde ich die ständige Bewerbung der eigenen Produkte im Buch äusserst penetrant. Aber Stadelmann schafft es, dass man beginnt, selbst kleinsten Dingen Aufmerksamkeit zu schenken. So bewerte ich beispielsweise jetzt das Tragen eines Käppchens bei Neugeborenen ganz neu. Oder die Farbe einer Babydecke.


Obwohl man meinem Haushalt noch nicht ansieht, dass in wenigen Wochen hier wohl ein Neugeborenes leben wird, bereite ich mich intensiv auf das Kleine vor. Am besten gelingt mir dies beim Stricken. Jeder Zentimeter des Fadens wandert durch meine Finger (und er wandert langsam!), und meine Gedanken sind währenddessen beim kleinen Kind.

Für alle Interessierten: Einmal mehr ist es eine Pebble-Weste geworden (wie schon hier und hier), gestrickt nach der wunderbar ins Deutsche übersetzten Anleitung von Bora (einmal mehr ein riesiges Danke!). Verstrickt wurde 100% Biobaumwolle von Lana Grossa: Linea Pura, Organico Print.



Sonntag, 6. April 2014

Verästeln


Der erste Ferientag.
Grosse Pläne, lange Listen.
Und dann einfach nichts gemacht.
Auf jeden Fall keine Listenpunkte in Angriff genommen.

Dafür:

- Alleine mit dem Hund spaziert. Ein seltenes Glück für uns.
- Mit Kind und Hund draussen rumgetrödelt.
- Des Frischlings Welt um Löwenzahn, Bienen und Hummeln erweitert.
- Den Frischling alle Bagger und Traktoren und Traktörchen des Nachbarn besteigen und bewundern lassen.
- Dem Mirabellenbaum beim Blühen zugeschaut.
- Eine brütende Henne entdeckt und, als ebenfalls "brütendes" Wesen, Mitgefühl gezeigt (Sie darf!).
- Gestrickt und Fäden vernäht.
- Der Melancholie gefrönt mit schönsten Klängen.
- Mich an meiner winzigen, hochkarätigen Leserschaft erfreut.

Was für ein Glück, dies alles.

Mittwoch, 2. April 2014

Stolperstein: Geburtsvorbereitung I

Katsushika Hokusai, Die grosse Woge, Privatsammlung. Bild von hier

Wie immer bei meinen in ganz loser Folge hingeschriebenen Stolpersteinen möchte ich betonen, dass ich andere persönliche Erlebnisse, Meinungen oder Standpunkte nicht abwerten oder kritisieren möchte. Erfahrungen sind unterschiedlich und führen zu unterschiedlichen Haltungen. Und meine eigene entspricht jeweils nur einem momentan aktuellen Gefühl oder einem Gedanken und ist selbst von Veränderungen nicht ausgeschlossen. Dogmen, Polemik, Fundamentalismus etc. liegen mir fern.

Wir alle kennen schreckliche Geburtsberichte und Tragödien, den Segen eines oft lebensrettenden Kaiserschnittes, Vorteile von Vorsorgeuntersuchungen und ähnliches. Bitte nutzt die Kommentarfunktion nicht, mir diese anderen Möglichkeiten und Tatsachen vor Augen zu führen. Sie alle sind wahr, das weiss ich sehr gut. Aber eigentlich immer Ausnahmen. Über sie wird geredet und geschrieben. Während man leider über die komplikationslose Geburt kaum etwas hört. Obwohl sie um ein Vielfaches häufiger ist. Und allen, die noch eine Geburt vor sich haben, Mut machen und mehr dienen würde.

Bald schon werden das kleine Kind und ich, mit dem Gefährten an unserer Seite und in Begleitung einer wunderbaren Hebamme, die Geburt erleben.

Es irritiert mich, was gemeinhin unter dem Namen "Geburtsvorbereitung" zu erledigen sei. Gemäss Kurzbeschrieb (schon beim Frischling vermied ich eine Teilnahme, ich kann deshalb nicht aus eigener Erfahrung sprechen) geht es in angebotenen Kursen und Informationsanlässen vor allem um das "biologische Verständnis" einer Geburt und dann weitgehend um die Möglichkeiten der Schmerzlinderung der Mutter (PDA und ähnliches). Im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen wird das Kind grosszügig "beschallt", um mir über weite Strecken unwichtige und sowieso unveränderliche Tatsachen mitzuteilen (zB. dass das Kind lange Oberschenkel hat - ich selber bin überproportional langbeinig...), man rüstet mich ungefragt mit Eisen- und anderen Präparaten aus, untersucht mein Blut und den Urin auf alles mögliche, und das wärs dann von ärztlicher Seite. Im privaten Bereich stehen Gedanken rund um Babygarderobe und Kinderzimmerausstattung hoch im Kurs. Und damit hat es sich dann meistens. Dies alles ist ja auch nicht schlecht, aber doch einigermassen begrenzt.

Was ist mit dem Wunder der Geburt? Diesem riesigen Mysterium? Dieser Grenzerfahrung, an welcher Leben und Tod ganz ganz nahe zusammenrücken? Wer bereitet einen darauf vor? Kann man sich darauf überhaupt vorbereiten?

Ich bin dankbar und überglücklich, dass meine eigenen positiven Gefühle und Gedanken bezügl. Geburten schon vor Geburt meines ersten Kindes von der bereits oben erwähnten Hebamme aufgenommen, gefördert und vertieft werden konnten. Die damalige Geburtsvorbereitung bestand für mich im wesentlichen darin, wie ich mein Vertrauen in die Kraft und Souveränität meines Frauenkörpers erhalten und vor allem während der Geburt abrufen resp. zulassen konnte.

Giovanni Segantini, Die beiden Mütter, Galleria d'arte moderna, Mailand. Bild von hier

Eine "normale" (so es diese denn überhaupt gibt) Geburt ist wohl anstrengend, intensiv und wahrlich auch eine Grenzerfahrung. Schrecklich muss sie aber nicht unbedingt und in jedem Fall sein. Und dies meine ich nicht im Bezug auf diese lapidare Begründung "...und nachher ist sowieso alles vergessen". Ich habe mir während der Schwangerschaft mit dem Frischling einige Tierfilme angeschaut und mir vergegenwärtigt, was ich bei Tieren selbst beobachtet habe. Tiermütter ziehen sich zurück und geben dem Ereignis den Raum und die Zeit, welche benötigt wird. Die meisten Tiere können klagen, also unter Schmerzen schreien. Während der Geburt machen sie dies jedoch nicht. Sie sind ganz still (manchmal stöhnen sie), wirken konzentriert, körperlich extrem gefordert, gleichzeitig aber auch sehr gelassen. Sie schicken sich in die Situation, sind ganz Körper, selber ganz Geburt. Etwas anderes existiert nicht mehr. Sie sind bei sich und geben sich den Kräften hin.

Naja, ich habe mir damals gewünscht, mein Kind einfach gebären zu können, wie eine Kuh oder ein Schaf dies im Normalfall tun. Kraftvoll, ruhig, hingebungsvoll. Meinem Körper das Ruder überlassend, den Intellekt vertrauensvoll mehr oder weniger ausschaltend. Und diese innere Haltung war für mich damals die beste Geburtsvorbereitung und hat mir mehr geholfen als das Wissen um PDA, Wehentropf, Saugglocke, Dammschnitt und ähnliches. (Ich war aber nie naiv, uninformiert oder in irgendeiner Form mir oder dem ungeborenen Kind gegenüber fahrlässig. Ich wusste immer, dass nicht alles, resp. gar nichts in meiner Macht liegt und auch alles ganz anders kommen kann, als ich es mir so "schön" zurechtdenke. Deshalb habe auch ich mich gedanklich mit "Notfall"-Szenarien auseinandergesetzt.)

Obwohl nicht in allen Punkten zustimmend, kann ich auch das Buch "HypnoBirthing" von Marie F. Mongan empfehlen. Mongan kreist darin im Wesentlichen um die Wahrnehmung des Schmerzes. Sie behauptet, dass er entsteht, weil er erwartet wird und starke Ängste und körperliche Verkrampfungen zur Folge hat, welche ihn erst ermöglichen. Das Buch ist sehr inspirierend, sollte jedoch mit der nötigen Distanz gelesen werden. Auch die ganzen Kursempfehlungen und Übungen nach dem ersten Drittel finde ich überflüssig bis mühsam. Auch finde ich die Begriffe schlecht gewählt resp. irreführend. Selbsthypnose als Bezeichnung für das Beibehalten einer entspannten, positiven Grundhaltung ist marktschreiend und klingt wieder nach viel Arbeit, welche im Vorfeld geleistet/gelernt werden muss. Aber damit lässt sich wohl ein neuer Markt generieren (Kurse etc.). Trotzdem, das Buch verfolgt einen interessanten Ansatz und erfüllt einen mit Vorfreude und Neugierde auf die vor einem liegende Geburt.

Ich finde es wahnsinnig schade, dass mit der gängigen Vorbereitungspraxis nicht einmal der Versuch unternommen wird, Frauen (und natürlich auch die beteiligten Männer) auf die gewaltige Dimension einer Geburt einzustimmen.

Was mich jetzt, rund zwei Monate vor der Geburt meines zweiten Kindes umtreibt, würde die Länge dieses Posts sprengen. Deshalb später mehr.





Ich freue mich über jeden Kommentar.
Weil dann Statistik-Zahlen zu Menschen werden.
Dank dir.