Freitag, 26. Juni 2015

Hinter die Kulissen


Die Bühne:

Zufrieden wiederkäuende Schafe und zauberhafte Lämmer (Andrina wird tatsächlich mit jedem Tag hübscher) komplettieren das Bild unserer kleinen Farm. Romantik pur.


Backstage:

Wir kämpfen um Aloisia. Schon zweimal hat eine Labmagenblähung das Leben unseres kleinsten Lammes gefährlich bedroht. Viturins schrecklicher Tod sitzt uns noch in den Knochen, wir hoffen sehr, dass wir Aloisia, unser zweites Flaschenlamm, nicht auch noch auf diese Art und Weise verlieren werden. Das Bild ist tatsächlich ein Schnappschuss aus unserer Küche, nachts um ein Uhr wohlgemerkt, nachdem ich in der Tierklinik Notfallmittel abholen konnte: Kamillentee, Medikamente, Waage, Pulvermilch. Normal und gesund ist das alles schon lange nicht mehr. Handeln wir noch ethisch? Dienen wir dem Tier? Die Theorie ist immer so einfach.


Seit die Grazien beim Bock weilten, plagen sie Klauenprobleme. Vermutlich haben sie dort einen fiesen Erreger aufgelesen, der ihnen zu schaffen macht. Die feuchten Bodenverhältnisse bei uns im Stall verschlimmern alles zusätzlich. Saba hinkt ganz schlimm, auch Karamba entlastet leicht. Heute erfolgte deshalb die Grossoffensive: Formalinbad für alle! Klauen reinigen, schneiden, dann Klauenbad während jeweils 10 Minuten (Bild) und danach Einwirkzeit von einer Stunde. Zack - und ein freier Nachmittag ist vorbei und ich bin fix und fertig. Wenns nützt, solls mir recht sein.

Und ja, so deppert sehe ich bisweilen aus. Jawohl, ich trage Atemschutzmaske, Schutzbrille und das "Übergwändli" unseres Vormieters (gefunden einst im Heizungsraum, also das Übergwändli, nicht der Vormieter!). Formaldehyd ist ätzend und giftig, und Schafe haben die Angewohnheit, plötzlich wilde Ausbrechversuche zu starten. Die Harmonie trügt.

Landlust und Landfrust liegen sehr nahe beieinander diese Tage.

Dienstag, 16. Juni 2015

Überraschung {Alpha}

zu "Alpha": Diese Rubrik dreht sich im weitesten Sinne um das, was man "Kindererziehung" nennt. Ich versuche, dabei jeweils einen Bezug herzustellen zwischen meinen Erlebnissen mit Tieren (besonders mit dem Hund) und meinen Erfahrungen als Mutter. Weder möchte ich Kinder auf die Stufe von Hunden, noch Hunde auf die Stufe von Kindern stellen. Keinesfalls sollten Kinder wie Hunde dressiert werden. Vielleicht sollte man aber auch Hunde nicht wie Hunde dressieren. Doch das ist wieder ein anderes Thema... 

Lach doch mal! (Frau Krähe, ca. 1982/83)

„Lüüüüü-hhhüüüüüüs! Keeeeeehhhhrt! Kehrt! Los jetzt! KEHRT! Verdammt noch mal! Komm schon!“ So und ähnlich klingt das oft, wenn die Vorstellungen des Hundes und von mir nicht deckungsgleich sind. Auf 30 Meter Distanz wird der Katzendreck von ihm dann noch schnell verdrückt, um anschliessend als Übersprungshandlung zwecks Stressabbau beim Herkommen noch einen Pinkelstopp einzulegen. Ich ärgere mich, in Stimme und Körperhaltung wird das deutlich sichtbar. Der Hund spürt das natürlich. Wird knittrig, bucklig und langsam. Spass macht das uns beiden nicht. Muss es ja aber auch nicht immer. Aber nützt es wenigstens? Die ernüchternde Antwort: Nein.

Kürzlich ist der Herr Hund weit zurückgeblieben und hat sich (vermutlich) unappetitlichem Zeug zugewendet. Einer Laune folgend, habe ich einen völlig bescheuerten charlie-chaplinesken Sprung versucht. Und noch einen. Ich hab gelacht. Und bin zum dritten Mal völlig bescheuert in die Luft gehüpft. Und schon tanzte mit wehenden Ohren und flinken Pfoten ein durchgeknallt fröhlicher Hund um mich herum. „Was ist los? Party-Party? Ich bin dabei!!!“ leuchteten seine Augen. Es folgte ein Spasskämpfchen, danach ging der Spaziergang flott weiter, mit einem beschwingten, aufmerksamen Hund. Ich selbst war aufgeräumt und belustigt.

Kinder reagieren ähnlich überrascht auf Unvorhergesehenes. Oft verfalle ich in völlig nutzloses Geschimpfe und Genöle, wo einfach eine deutliche Abweichung des leider „eingespielten“ Programmablaufs Abhilfe schaffen würde.

Wieso also nicht mal, statt des üblichen Gemeckers und Moral-Geschwafels, wenn das Kind mal beim Zähneputzen den Mund nicht öffnen will, einfach die eigenen superstarken Biberzähne demonstrieren und eine wilde, liebevolle, fröhliche "ich-beiss-dich-in-den-Bauch"-Rangelei anzetteln. Gut möglich, dass nach Spass und Rambazamba der Mund enthusiastisch aufgerissen wird. Denn wer möchte schon freiwillig auf grandiose Biberzähne verzichten?

Auch gegen eigenen Trübsinn lässt sich das bewusste Ausscheren aus dem Alltagstrott praktizieren. Bei mieser Laune kann man zum Beispiel mal Musik hören, welche gar nicht dem eigenen Geschmack entspricht und für sich allein oder zufällig anwesende Kinder und Tiere ne Persiflage-Performance mit wildem Getanze aufs Parkett legen. Subtiler, aber nicht weniger wirkungsvoll: 10 Minuten früher aufstehen und den ersten Morgenkaffee oder -tee nicht wie sonst immer stehend in der Küche, sondern am offenen Fenster mit dem schönsten Ausblick geniessen und tief durchatmen.

Humor (oder mindestens ein leises Lächeln) hilft. Versprochen.
Vor allem ist das Leben damit auch einfach viel lustiger. Und egoistisch wie ich bin, dünkt mich dies ein überzeugendes Argument für mehr Spontaneität, Frohsinn und Verrücktheit im Alltag.

Und wie schafft ihr es, ungläubiges Staunen auf die Gesichter eurer Kinder und Fröhlichkeit in eurer aller Herzen zu zaubern? Seid ihr auch ab und zu unberechenbar positiv?

Wilde Nachbarn



Der Frischling sieht fasziniert fern.
Wie schön, dass uns nicht nur Füchse besuchen.

Samstag, 13. Juni 2015

Rock and Roll




Sie hat Geburtstag gefeiert im März.
Und Stoff ausgesucht im April.

Ich habe gewaschen und gebügelt im Mai.
Und zugeschnitten und genäht im Juni.

Liebe H., deine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt.
Ich wünsche dir viele Erdbeerfelder-Sonnenblumen-Bienenweide-Wasserwonne-Sommertage mit diesem Röckchen.




Mittwoch, 10. Juni 2015

Adieu Viturin


Wir haben ihn verloren.

Nach dem Verfassen des gestrigen Posts schaute ich nach ihm. Er stand in seiner Bucht, den Kopf hoch erhoben. Irgendwann begann er angestrengt zu atmen. Und dann ging es ganz schnell. Und fühlte sich doch an wie eine Ewigkeit.

Wie gross seine Qual war, können wir nicht ermessen. Wie gross seine Furcht war, auch nicht.
Aber wir wissen, dass wir alles für ihn waren in seinem kurzen Leben. Und wir waren bei und mit ihm bis ganz zuletzt.

Dienstag, 9. Juni 2015

High Noon


Jetzt ist es passiert.
Die Henne, welche mit ihrem Küken im Moment nur betreuten Auslauf erhält, hat dank dem Kleinen überlebt. Ihre beiden Kolleginnen und unser lieber Hahn sind tot.

Gestern zur Mittagsstunde hat sich ein Fuchs Zugang zum Hühnergehege verschafft. Er ist über den stromgeladenen Zaun gesprungen. Eine Henne lag tot im Gehege, eine auf der angrenzenden Schafwiese und ganz viele Federn des Hahns lagen auf unserm Vorplatz (beide sind wohl in Panik über den Zaun geflattert und dann vom Fuchs eingeholt worden), von wo eine Schleif- und Federspur in den Wald führte. Dort fand sich dann auch der Hahn. Ohne Kopf und Hals. Und wenige Meter daneben, eingerollt unter einem Nadelbäumchen, der schlafende Fuchs. Ein wunderschönes Tier. Seit einigen Wochen auf eigenen Beinen stehend und sich das Repertoire aneignend, welches für ein erfolgreiches Fuchsleben vonnöten ist. Kräftig genug, um den Angriff auf unser beeindruckendes Federvieh zu wagen, leichtsinnig und unerfahren genug, dies am heiterhellen Tag in Tat umzusetzen.

Bisweilen mutet unser Leben hier sehr idyllisch an. Vor allem, wenn sorgfältig gewählte Fotos und wohlüberlegte Worte Ausschnitte aus dem ganzen alltäglichen Chaos zeigen. Die Wirklichkeit ist eine andere. Tote Hühner, missgebildete Lämmer.

Wie ich das schreibe, werde ich von der Wirklichkeit überholt. Viturins (unser Flaschenlamm) Bauch ist extrem aufgebläht. Kugelrund. Die herbeigerufene Tierärztin versucht mit einem Schlauch, den sie ihm via Luftröhre in den Pansen einführt, Gas abzulassen. Da kollabiert er urplötzlich. Die Tierärztin beatmet ihn (ich staune!), er kommt wieder zu sich. Sie punktiert seinen Bauch an zwei Stellen und versucht auf diese Weise, Gas abzulassen. Kein nennenswerter Erfolg. Krampflösendes Mittel rundet die Intervention ab. Jetzt sollen wir das Kerlchen rund eine Stunde beobachten und dann entscheiden, ob es ihm besser gehe und man ihm das Durchstehen der Nacht zumuten kann oder ob man ihn von seiner Qual erlösen muss.

Tote Hühner, missgebildete Lämmer, ein lebensbedrohlich erkranktes Lamm.

Der Gefährte setzte sich gestern Abend zum Einschlafen die Kopfhörer auf. "Mit Ravi Shankar beame ich mich jetzt in eine 3-Zimmer-Wohnung einer städtischen Wohnsiedlung." Ja, manchmal hat sogar das was.

Passt gut auf euch und eure Lieben auf.

Montag, 8. Juni 2015

Eins


Herzliche Gratulation zu deinem ersten Geburtstag, kleine Zaunkönigin.

Als du dich vor einem Jahr bereit machtest, auf diese Welt zu kommen, waren die Blütenknospen am Rosenbogen prall, aber noch geschlossen. Als wir drei Tage später gemeinsam nach Hause kamen, stand der Bogen in voller Blüte. So auch wieder dieses Jahr. Meine Mutter hatte dir vor einem Jahr beim ersten Besuch als Willkommensgeschenk ein Sträusschen mitgebracht, welches Rosen aus dem Garten meiner Urgrossmutter beinhaltete. Von meiner Urgrossmutter, deren Namen du als zweiten Namen trägst. Auch jetzt steht es wieder auf dem Tisch, das Rosensträusschen deiner Grossmutter und damit auch deiner Ur- und Ururgrossmutter.

Es ist wahnsinnig schön, das du bei uns bist, du kleines grosses Mädchen. Du wildes, zärtliches, rabiates, feinsinniges, fröhliches, dickköpfiges Kind.



Dienstag, 2. Juni 2015

viel. (zu)




Man müsste sich freuen über so viel Glück und Leben und Wachstum.
Stattdessen gräbt Eines dem Andern die Zeit, Energie und Freude ab.
Auch viel Schönes und Gutes kann einem über den Kopf wachsen.




Viturin milchbartelt durch das Grün. Ein feines Kerlchen ist er geworden.


Dieser kleine Frechdachs sucht noch nach seinem Namen. Volvo? Vincent? Vlad? Was meint ihr? Bessere Ideen werden gerne entgegengenommen.

Das Küken hingegen bleibt, ganz wie seine Eltern, namenlos. So entgeht es vielleicht der Aufmerksamkeit aller Fressfeinde. Dieser Trick soll schliesslich gegen böse Geister helfen, vielleicht nützt er auch gegen handfestes Übel.



Ich freue mich über jeden Kommentar.
Weil dann Statistik-Zahlen zu Menschen werden.
Dank dir.